Ducati 1199 Panigale
Technik
Ohne Zweifel ist die 1199 Panigale das stärkste Stück Technik,
welches bisher für die Serie gebaut wurde. Und ohne Zweifel auch gab es in der
Abfolge der Superbikes von Ducati noch niemals einen größeren Sprung zum
Vorgängermodell, als den jetzt vollzogenen.
Schon nur die äußerliche Ansicht allein des Motors zeugt von etwas völlig Neuem
- ein Paradigmenwechsel. Der Zahnriemen, seid Zig-Jahren das Erkennungsmerkmal
eines Ducati Motors, ist weggefallen.
John Britten war um 1992 seiner Zeit weit voraus, das Federbein hinter der Gabel, der Wasserkühler im Heck, alles irgendwie um und am Motor fest, und herum gebaut. Zahlreiche Innovationen, wie Rekorde, wie sehr geringes Gewicht zeichnen dieses Motorrad aus.
Links dazu: http://en.wikipedia.org/wiki/Britten_V1000 und in Deutsch http://motorrad.wikia.com/wiki/Britten_V1000
Die 1199 Panigale hat einen Teil der Britten v1000 geerbt + eben
den heutzutage möglichen elektronischen Überbau noch on top.
Was sich jetzt der etwas unscharfen Grafik der gestrippten Panigale unschwer
entnehmen lässt: es ist der durchrationalisierteste Konzeptwürfel, welche sich
im Motorradbau überhaupt aktuell antreffen lässt. Nahezu alles, was bisher eine
Ducati ausgezeichnet hat.... ist verschwunden. Letztlich ist noch die
Einarmschwinge geblieben, und die rote Farbe. Mit einer Zweiarmschwinge versehen
und grün lackiert könnte dieses Motorrad auch aus Japan kommen.
So sind jetzt mit der Panigale auf radikalste Weise Funktionen zusammengefasst
Der Motor dient als Rahmen
Die Airbox als Lenkkopf
Sehr erstaunlich finde ich, dass bei dieser Radikalität "nur" 10kg weniger Gewicht, als bei der 1198 herausgekommen ist. Meiner Einschätzung nach dürfte eine 1198 WESENTLICH leichter und günstiger leicht zu machen sein, als eine 1199 Panigale. Denn - wie es die Grafik schon hergibt, bis auf Auspuff und Rahmenheck ist so erstmal nicht viel zu machen.
Zudem, wie hier
http://motojournal.blogspot.com/2011/11/epochal-ducati-1199-panigale.html
auch angemerkt wird - das Konzept mit einer Airbox/Motor Kombi,
welche im Verbund den Lenkkopf darstellen, hat sich in der GP nicht sonderlich
bewährt.
Doch ist das von Interesse ?
Ich bin mir nicht sicher.
Diese Maschine soll ja nicht in der GP fahren, und auch nur jeder hundertste
wird die Panigale vielleicht zum Limit treiben.... wollen. Die 1199 wird jetzt
wohl einen Teil ihrer neuen Käuferschaft aus dem technik-verliebten Bereich
beziehen können, und ich denke, dass nicht wenige aus dem "Japaner"-Bereich
durchaus mit einer 1199 liebäugeln. Ob das Ding nun etwas zu steif ist, oder
nicht, wird wohl nur der geringste Teil der Leute mitbekommen. So wie eben auch
eine BMW S1000RR ihre grundlegenden konzeptionellen Schwächen hat, tja und ?
Interessiert's die Eigner ? Nicht wirklich, denn man kann eben ausreichend
schnell fahren damit, und das langt den Meisten aus.
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Drive-by-wire (DBW)
Während BMW Ihr DBW System von Dellorto in Italien fertigen ließ, ist es vielleicht witzig anzumerken, dass das DBW Setup der 1199 Panigale von Mikuni, also aus Japan stammt. Mikuni hat mit den R6 und R1en schon sehr früh mit DBW im Motorradsektor angefangen, so um 2003 waren - so glaube ich- die R6 bereits mit DBW ausgerüstet. Für diejenigen, welche nicht wissen, was nun Drive-by-Wire im Einzelnen bedeutet, hier eine kleine Übersicht des Prinzips, wie der auch Vorteile eines solchen Systems:
Mit der Betätigung des Gasgriffs wird ein federbelastetes Potentiometer gedreht, welches entsprechend der Stellung des Gasgriffes eine Spannung von üblicherweise 1-4 Volt ausgibt
Um an dieser Stelle eine Fehlfunktion auszuschließen, ist dieses Potentiomer DOPPELT ausgeführt, es wird also ein doppeltes Signal ausgeworfen, welches stets HARMONIEREN muss, ansonsten sagt die ECU, dass etwas nicht stimmt, und die Drosselklappen werden geschlossen.
Diese Ausgangsspannung der Potis geht nun in die Motorsteuereinheit (ECU).
Die ECU ist sozusagen nun informiert, was der Fahrer gerne machen möchte.
Doch jetzt hängt es davon ab, was im jeweiligen Programm
hinterlegt ist an Parametern, denn, so hat die ECU ja neben der GEWÜNSCHTEN
Drosselklappenstellung noch weitere Faktoren auf der Uhr:
- Motortemperatur
- Seitenständer
- Kupplungsgriff
- Bremsdruck/ABS
- Lufttemperatur
- Geschwindigkeit
- Schlupf
- G-Kräfte
- Gang
- opt. Federwege
- opt. Position auf der Rennstrecke (über GPS)
- naja usw
und nun eben abhängig davon, wie clever die Tabellen geschrieben sind, kann zwar der Eigner des Fahrzeugs es jetzt WOLLEN, Vollgas zu geben, jedoch die Plausibilität ist aufgrund des Tabellenwerkes nicht gegeben. So etwa, wenn aus dem Kurvenausgang schon ein kritischer Schlupf bei meinetwegen 40%TP registriert wird, und der Fahrer nun meint -unsensibel, wie er ist- den Hahn nun komplett umlegen zu müssen. Das Tabellenwerk sagt: "das geht höchstwahrscheinlich nicht gut", und öffnet die Drosselklappen eben auf 100% RELATIV zum nicht zunehmendem, oder gar abnehmendem Schlupf.
oder, man meint bei noch kaltem Motor , Neutral und 0km/h seinen Kollegen gleich den Drehzahlbegrenzer vorführen zu müssen.... ich als Hersteller hätte da nada gesagt, für solch einen Fall würd ich die Drosselklappen max 4% anheben lassen, und den Begrenzer auf vielleicht 4000 RPM setzen.
oder, man baut einen Schlüsselschalter mit meinetwegen 4 Stufen, da könnte man dann bei Stufe 1 auch den 14jährigen Sohnemann fahren lassen, weil die Leistung auf 60PS, 5000RPM und max 140kmh begrenzt wird, oder wie auch immer, mehr noch zu solchen Optionen im Electronics Web.
Hat jetzt also die ECU die Information, was der Fahrer gerne für eine TP Stellung haben möchte, gibt sie diesem WUNSCH mehr oder minder ( je nach Datenlage) nach, und gibt Strom auf einen Elektromotor, welcher über ein Getriebe die Drosselklappen eben soweit öffnet, wie es in den Tabellen steht.
Damit man nun überhaut weiß, wie die Stellung der Drosselklappen nun aktuell ist, ist an derer Welle auch wieder ein doppeltes Potentiometer angebracht, welches entsprechend dann auch wieder ein doppeltes Signal zwischen üblicherweise 1-4 Volt rausschmeißt. Auch hier gilt - die Spannungen müssen HARMONIEREN, sonst wird ein Fehler angenommen, und die Drosselklappen werden geschlossen.
Was also der Grundsatz ist: ein Sollwert (des Fahrers Wunsch durch wringen des Gasgriffs) und ein Istwert (vom Tabellenwerk festgelegt) werden permanent abgeglichen, und auch hier gilt jetzt -neben bereits der doppelten Absicherung an jedem Potentiometer- der Sollwert, wie der nach Datenlage festgelegte Istwert dürfen nicht um im Schnitt 0,5% voneinander abweichen, weil eben auch dann von einer Fehlfunktion ausgegangen wird, und die Drosselklappen werden geschlossen.
Beinahe tödlich ist natürlich jetzt nur noch folgendes Szenario: nämlich ein vagabundierender Strom (durchgescheuertes Kabel.. o.ä) kommt an die Zuleitungen zu dem Motor, welcher die Drosselklappen betätigt, oder die Software hat irgendwo einen Fehler und der Motor macht dann einfach mal Vollgas aus dem Nichts, da (so jedenfalls bei Yamaha und BMW) ist üblicherweise im Drosselklappenkörper noch ein weiteres, mechanisches Feature verbaut, eine Art Sperrklinke, welche, wenn der Fahrer nur den Gasgriff nicht zu locker in der Hand hält - es nicht erlaubt, dass die Drosselklappen sich WEITER öffnen, als vom Fahrer gewünscht.
Diese Sperrklinke hat allerdings auch den NACHTEIL, dass so das automatische Zwischengas zum Runterschalten sich dann nicht realisieren lässt
In der Summe ist ein DBW System EXTREM hilfreich, weil
unglaublich viel manipulieren kann:
- Leistungsabgabe Gangabhängig oder Schlupfabhängig...
Geschwindigkeitsabhängig... usw.
- Bremsmoment ebenso .... plus, dass man noch ein smartes Anti-Hopping
realisieren kann (ich musste bei nicht-DBW Systemen eben den Umweg über ein
Nebenluft-Ventil gehen). Smart bedeutet hier - es ließe sich ein zulässiger
negativer Schlupf beim Runterschalten festlegen, wo dann eben die
Drosselklappen nur soweit öffnen, dass der Wert meinetwegen -10% nicht
"untersteigt". Besser wäre da natürlich, da ja ein jeder es gerne etwas
anders mag, wenn der zulässige negative Schlupf einstellbar/programmierbar
wäre, vielleicht auch noch Streckenabhängig, über GPS, oder
Reifenabhängig....aber man kann es natürlich immer übertreiben
Schwinge/Federbein
Finde ich clever gelöst.
Denn man muss ich einmal in eine Einarmschwinge hineinversetzen, wenn sie auf
Druck beansprucht wird. Am ende hält auf gewisse Weise das Federbein an seinem
Anschraubpunkt dem Druck kontrolliert stand, doch dazwischen ist ja im
Normalfall reichlich Strecke (Material/Länge Schwinge), wo sich die Schwinge
VERWINDEN kann. Bei der Lösung jetzt wird die Kraft beinahe dort aufgefangen, wo
die Torsion überhaupt erst entstehen kann. Auf diese Art und Weise kann ich mich
auch mit einer Einarmschwinge anfreunden.
Lufteinlass/Airbox/Lenkkopf
Die Lizenz zum Gelddrucken für Ducati.
Ein einfaches Gussteil übernimmt die Funktion eines sonst mühsam
zusammenzustrickenden Rahmens, mit all den kleinen Halterchen, und was sonst
noch so hier und da angebummelt ist. Vom Umfang der integrierten Funktionen
jedoch ein geniales Konzept. Nur nix mehr, wo man noch großartig dran rütteln
könnte, außer eben mit verschieden Guss-Legierungen und Wandstärken das
Fahrverhalten entsprechend zu beeinflussen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass
für die WM das Ding/ oder Sektionen aus Alu-Blech nachgebaut/eingeschweißt wird,
um vielleicht etwas mehr Flex zu realisieren.
Was den möglichen Schaden im Falle eines Unfalles angeht, so bleibt das wohl abzuwarten, die Empirie wird uns die Wahrheit lehren. Eines dürfte jedoch klar sein, diesen "Lenkkopfkasten" wird man nichtmal so eben richten können.
Die Geschichte mit dem Auspuff unterm Motor ist jetzt nicht
revolutionär, jedenfalls doch aber nett anzusehen.